Donald Duck oder Mickey Mouse hatten mich als Kind nicht sonderlich interessiert — stattdessen war ich ein leidenschaftlicher Fan der "Tim & Struppi"-Comics von Hergé. "Der Arumbaya-Fetisch" war mein Lieblings-Comic, dicht gefolgt von "Die Krabbe mit den goldenen Scheren", "Die sieben Kristallkugeln" und "Tim in Tibet" (alle herausgegeben vom Carlsen-Verlag).
Tim (im Original: Tintin) ist ein Reporter aus Brüssel – allerdings sieht man in den Abenteuern nur selten, dass er mal etwas schreibt, sein Verleger wird nicht zufrieden gewesen sein. Dafür hat Tim auch keine Zeit, da er mit seinem blitzgescheiten Terrier Struppi (im Original: Milou) stets zu Lande, zu Wasser und in der Luft (und sogar im Weltall!) unterwegs ist. Es gibt einige Leute, die "Tim & Struppi" nur mögen aufgrund der herrlichen Flüche des reizbaren (und leider dem Alkohol nicht abgeneigten) Kapitän Haddock. Dieser war jedoch nicht von Anfang an dabei, sondern kam erst in "Die Krabbe mit den goldenen Scheren" hinzu.
Das Besondere an "Tim & Struppi" ist, dass Hergé von den 1920er-Jahren bis kurz vor seinem Tod Anfang der 1980er-Jahre daran gearbeitet und versucht hat, auch gesellschaftskritische Themen wie z.B. den Einfluss der Erdölgesellschaften auf Regierungen und die Unterdrückung von Minderheiten einzubinden. Dass sich im Laufe der Jahrzehnte die Weltanschauungen deutlich geändert haben, beispielsweise vom in den 1930er-Jahren vorherrschenden Imperialismus und Kolonialismus hin zu mehr Demokratie und Liberalismus, zieht sich auch durch das Werk von Hergé.
Dass der Band "Tim im Kongo" leider rassistische Tendenzen beinhaltet, ist bekannt; Hergé hat sich später davon distanziert. Warum also dieser Band leider so noch frei ohne Kommentierungen erhältlich ist, ist mir ein Rätsel. Der inhaltlich deutlich harmlosere Band "Im Lande der Sowjets" wurde dagegen viele Jahre lang nicht veröffentlicht.
Nach dem 2. Weltkrieg hatte Hergé ein befristetes Berufsverbot erhalten, da er während der Besatzungszeit in Belgien für ein mit den Deutschen kooperierendes Blatt gearbeitet hatte - allerdings "nur" als Zeichner, wie er selbst hervorhob. Ob er später zu rechten Gruppen ein engeres Verhältnis hatte, wie ein belgischer Nazi nach Hergés Ableben behauptet hat, konnte leider nie zweifelsfrei aufgeklärt werden. Zwar sieht der Bösewicht Rastapopoulos optisch so aus, wie früher klischeehaft und abfällig jüdische Kaufleute gezeichnet wurden (auch bei Wilhelm Busch), aber ob hier einfach nur Gedankenlosigkeit oder mehr dahinter steckt, kann man heute nicht mehr sagen. Festzuhalten ist, dass sich Hergé im Laufe seines Wirkens erkennbar weiterentwickelt hat.
Die Alben im chronologischen Überblick:
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Blake & Mortimer - zwei Briten retten die Welt
Francis Blake ist ein britischer Geheimagent des M.I.5; sein bester Freund Philip Mortimer ein brillanter Physiker mit einem Faible für die Archäologie. Gemeinsam kämpfen sie in den 1940er bis 1970er-Jahren gegen die Feinde der freien Welt - insbesondere gegen den Erzschurken Olrik. Blake ist ein Waliser aus gutem Hause, hat in Eton studiert und dann bei der Royal Navy gedient. Mortimer ist ein in Indien geborener Schotte, der in Glasgow, Berkeley und am berühmten M.I.T. studiert hat. Beide wurden aufgrund ihrer außerordentlichen Verdienste für das britische Empire in den Adelsstand eines Baronet erhoben.
Die Herkunft von Olrik dagegen bleibt im Dunkeln, evtl. ist er ein desertierter KGB-Offizier. Eine andere interessante Idee besagt, dass er ein ehemaliger SS-Obersturmbannführer namens Ulrich (= Olrik?) von Hohenstauff gewesen sein soll, der eine SS-Junkerschule in Bad Tölz (also ganz in meiner Nähe) leitete und nach dem Zweiten Weltkrieg nach Asien flüchtete. Die französische Quelle schreibt: "Strombannfürer à la Junker Shule de Bat Tölz" (sic!): http://www.blakeetmortimer.com/spip.php?article10.
Erfunden und gezeichnet wurde die Serie ab 1946 von Edgar P. Jacobs, der auch mal zum Zeichenteam von Hergé gehört hatte (im Tim & Struppi-Band "König Ottokars Zepter" hat er sich in einer Szene selbst porträtiert und damit verewigt). Als Hergé aber den Wunsch von Jacobs, als Mitautor auf den Covern der "Tim & Struppi"-Comics genannt zu werden, ablehnte, trennten sich die Wege der beiden.
Anders als bei "Tim & Struppi", wo seit dem Tod von Hergé leider keine weiteren Bände mehr veröffentlicht werden dürfen, tut sich bei "Blake & Mortimer" seit dem Tod vom Edgar P. Jacobs mehr als vorher: Mittlerweile erscheint fast jedes Jahr beim Carlsen Verlag eine neue Geschichte.
"Blake & Mortimer" ist für mich eine interessante Mischung aus "Tim & Struppi" und James Bond. Meine Lieblings-Bände sind "Die Voronov-Intrige", "Der Fall Francis Blake" und "Die Diamanten-Affäre". Allerdings ist nicht jeder Band zu empfehlen – so hat mich zum Beispiel "Die Septimus-Welle" sehr enttäuscht.
Die Alben in rein chronologischer Abfolge
Die neueren Alben erscheinen nicht in chronologischer Abfolge, sondern werden zeitlich eingestreut zwischen die älteren, von Edgar P. Jacobs veröffentlichten Bände. Wer also die Geschichten in chronologischer Reihe genießen möchte, wird diese Liste empfohlen (vorn jeweils das Jahr, in dem die Geschichte spielt):
Mittlerweile sind auch einige Comic-Parodien veröffentlicht worden, so zum Beispiel von Pierre Veys und Nicolas Barral: "Die Abenteuer von Philip und Francis: 1. Das Empire in Not", "2. Die machiavellistische Falle" und 3. "SOS Meteorologie". Eine Zeichentrickserie mit den "Adventures of Blake and Mortimer" wurde auch mal produziert, leider aber nicht ins Deutsche übersetzt.
Auf eine Realverfilmung warten die Fans schon seit einigen Jahren – trotz zwischenzeitlicher Ankündigungen bislang aber leider vergeblich. So war angeblich bereits mehrmals eine Verfilmung von "Das gelbe M" geplant (zum Beispiel mit Hugh Laurie und Kiefer Sutherland in den Hauptrollen). Zuletzt habe ich dazu aber nichts mehr gelesen oder gehört.
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Alan Moore - mehr als ein Comic-Autor
Alan Moore wurde 1953 in Northampton geboren und ist ein Schriftsteller und Comic-Autor. Besonders bekannt ist er für seine Graphic Novels wie V für Vendetta, Watchmen, Die Liga der außergewöhnlichen Gentlemen, Swamp Thing, Neonomicon, From Hell und Batman: The Killing Joke.
Er selbst nennt seine Werke Comics, die anderen bezeichnen sie als Graphic Novels, da sie keine profanen Comicstrips sind, sondern düstere, tiefgängige Geschichten, gespickt mit zahlreichen philosophischen und historischen Verweisen. Die Inhalte sind zudem nicht ganz jugendfrei, da sie viel Gewalt und Sex enthalten. Anarchie, politische Willkür sowie menschliche Abgründe und Perversionen prägen seine Geschichten.
Viele dieser Comics wurden auch verfilmt, wenngleich Alan Moore mit dem Ergebnis im Kino nicht immer zufrieden war. Insbesondere über die Verfilmung von Die Liga der außergewöhnlichen Gentlemen (der letzte Film von Sean Connery ) hat er sich geärgert und öffentlich davon distanziert.
Alan Moores bekannteste Werke (eine Auswahl):
Batman: The Killing Joke (1988),
DC Comics; illustriert von Brian Bolland (Deutsche Ausgabe: Hethke, Panini)
From Hell (1989 bis 1998),
10 Bände, Eddie Campbell Comics; illustriert von Eddie Campbell (Deutsche Ausgabe: u. a. Cross Cult)
Green Lantern Jg. 2 Nr. 188 (1985),
DC Comics; illustriert von Dave Gibbons
The League of Extraordinary Gentlemen (1999–2003),
12 Bände, DC Comics/WildStorm/ABC; illustriert von Kevin O'Neill
Lost Girls (1995–2006),
3 Bände; illustriert von Melinda Gebbie (Deutsche Ausgabe: Cross Cult Verlag, Asperg 2008)
Superman: For the Man Who Has Everything (1985),
DC Comics; illustriert von Dave Gibbons
Supreme (1996–1998),
17 Bände, Image/Maximum Press/Awesome Entertainment (Deutsche Ausgabe: u. a. Nona Arte)
Supreme: The Return (1999–2000),
6 Bände, Awesome Entertainment; illustriert von Chris Sprouse, Rick Veitch u.a.
Swamp Thing (1983–1987),
DC Comics; gesammelte Ausgabe in 6 Bänden (Deutsche Ausgabe: u. a. Panini):
Saga of the Swamp Thing (1987)
Swamp Thing: Love and Death (1990)
Swamp Thing: The Curse (2000)
Swamp Thing: A Murder of Crows (2001)
Swamp Thing: Earth to Earth (2002)
Swamp Thing: Reunion (2003)
Terra Obscura (2003–2005),
12 Hefte, DC Comics/WildStorm/ABC; illustriert von Peter Hogan und Yanick Paquette
V wie Vendetta (1982–1989),
die ersten zwei Bände erschienen zwischen 1982 und 1985 in Warrior Nr. 1-26, Quality Communications; die übrigen 10 Bände 1988 bis 1989 bei DC Comics; illustriert von David Lloyd (Deutsche Ausgabe: u. a. Panini)
Watchmen (1986–1987),
12 Bände, DC Comics; illustriert von Dave Gibbons (Deutsche Ausgabe: Carlsen, Panini)
WildC.A.T.s Nr. 21–34, 50 (1995–1998),
Image Comics; illustriert von Travis Charest und anderen (Deutsche Ausgabe: u. a. Panini)
Youngblood Nr. 1–2 (1998),
Awesome Entertainment, illustriert von Steve Skroce
Neonomicon,
Miniserie 2010, deutsch bei Panini 2012
Meine Favoriten sind From Hell und Neonomicon. In From Hell erzählt Alan Moore seine Theorie, wer der berühmte Frauenmörder Jack the Ripper wirklich gewesen ist - seine These: Es war Sir William Gull, der Leibarzt der britischen Königin. Nun, vermutlich liegt Moore hier falsch. Aber er beschreibt die 1888 in London stattgefundene Mordserie derart authentisch und bemüht sich so sehr um Realismus, das man ihm fast glauben möchte.
Neonomicon, mein anderes Lieblingsbuch von Alan Moore, ist dagegen definitiv nicht realistisch. Alan Moore greift hier den bekannten Cthulhu-Mythos von H.P. Lovecraft auf und erzählt eine düstere, zum Teil recht eklige und ganz und gar nicht jugendfreie Geschichte mit schleimigen Monstern aus der Unterwelt.
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Captain Future - rettet nicht nur die Welt, sondern ganze Galaxien
Und nun noch ein Comic-Held aus meiner frühen Kindheit: Captain Future – Protagonist einer japanischen Zeichentrick-Serie, die Ende der 1970er-Jahre produziert worden ist.
Captain Future heißt eigentlich Curtis Newton, Sohn eines genialen Wissenschaftlers. Seine Eltern werden, als er noch ein Kind ist, von dem Verbrecher Vul Kuolun umgebracht. Als Captain Future widmet Curtis daher sein Leben dem Kampf gegen das Böse. Unterstützt wird Captain Future dabei vom Androiden Otto, dem Roboter Grag, dem "lebenden Gehirn" von Prof. Simon sowie von der hübschen Joan Landor, Agentin der Planetaren Polizei. Gemeinsam mit ihnen (und dem blinden Passagier Ken) reist Captain Future mit dem Raumschiff Comet durch das Universum, um für Gerechtigkeit zu sorgen.
Schaut man sich die Zeichentrick-Serie heute an, wirkt sie, verglichen mit aktuellen Animes, natürlich sehr simpel und billig gemacht. So geht es einem aber mit vielen Sendungen, die man sich als Kind gern angeschaut hat und nun wieder sieht.
Die in Deutschland ausgestrahlten Episoden:
Im ZDF wurde die japanische Serie ab 1980 ausgestrahlt, allerdings in stark veränderter Form: Die Serie bestand im Original aus insgesamt 52 Folgen á 30 Minuten; diese bildeten 13 Staffeln mit jeweils vier Folgen. Das ZDF drehte die Serie für die deutsche Synchronisation erstmal kräftig durch den "Fleischwolf": Alle Folgen wurden stark geschnitten, indem vier Originalfolgen aneinandergereiht und dann auf drei Folgen zu je 25 Minuten gekürzt wurden. Einzige Ausnahme ist die Episode „Das Geheimnis der 7 Steine", die bei vier Folgen geblieben ist. Die Episode "Sternstraße zum Ruhm" wurde gar nicht erst synchronisiert und ausgestrahlt; sie ist aber in der deutschen DVD-Kollektion auf Japanisch mit deutschen Untertiteln verfügbar.
Und noch eine gravierende Änderung in der Synchronisation: Statt die Originalmusik zu behalten, wurde ein neuer Soundtrack in Auftrag gegeben – und zwar beim damals bekannten deutschen Schlagermusik-Komponisten Christian Bruhn, der nicht nur Titel wie "Wunder gibt es immer wieder" (Katja Ebstein) und "Marmor, Stein und Eisen bricht" (Drafi Deutscher) produziert hat, sondern auch viel Musik für Film und Fernsehen, z.B. die Titelmelodien für ZDF-Serien wie "Timm Thaler" und Manni, der Libero".
Für "Captain Future" entwickelte Christian Bruhn einen sehr futuristisch wirkenden Soundtrack, der noch heute sehr gern von Club-DJs gespielt und neu gemixt wird. Gerade durch diesen Soundtrack ist die Serie in Deutschland bis heute populär geblieben. Der Soundtrack zu Captain Future ist nicht nur auf YouTube, sondern auch auf den gängigen Streaming-Portalen wie Deezer und Spotify verfügbar. Und wer an den aktuellen Hörspiel-Produktionen interessiert ist, die die Charaktere der ZDF-Serie inkl. Synchronsprecher und Soundtrack aufgreifen (also Graphic Novels nur zum Hören), wird ebenfalls bei Deezer (und anderen Portalen) fündig.
Zurück zur japanischen Zeichentrickserie: Diese basiert auf Romanen, die in den 1940er-Jahren vom amerikanischen Groschenroman-Autoren Edmond Hamilton geschrieben wurden. Da es Hamilton in seinen Groschenheften stets mächtig hat krachen lassen, war sein Spitzname "Der Weltenzerstörer".
Allerdings wäre er vermutlich komplett in Vergessenheit geraten, wenn nicht die japanischen Zeichentrick-Autoren nach einer interessanten Vorlage für eine Science Fiction-Serie gesucht hätten, die sich von anderen zeitgenössischen Zeichentrick-Produktionen wie "Heidi", "Biene Maja", "Wickie", "Nils Holgerson" und "Sindbad" etwas abhob.
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